Die Einschränkungen in der Gastronomie, im Tourismus und im globalen Weinhandel haben nicht unbeträchtliche Auswirkungen auf die heimische Weinbranche.
TEXT VON JOHANN WERFRING
erschienen im Wiener Journal, Das Magazin der WIENER ZEITUNG
Vor sechs Jahren hat Martin Minkowitsch das Weingut seines Onkels Roland Minkowitsch in Mannersdorf an der March im südlichen Weinviertel übernommen. Die Verdienste des Oheims um die betriebliche Stabilität werden nach wie vor im Firmennamen gewürdigt. Die Weingärten befinden sich am idyllischen Rochusberg, an dessen Fuß sich Weinkeller und Presshaus befinden, wo bis heute mit einer 200 Jahre alten Baumpresse gekeltert wird.
Alt sind auch die Strukturen, die im Weingut Roland Minkowitsch die Vermarktung bestimmen: Minkowitsch ist ein ausgesprochener Stammkundenwinzer, der die Konsumenten seiner Weine persönlich kennt und rund 95 Prozent seiner Gewächse im Wege der Direktvermarktung absetzt. Die Weinqualität ist solide und gut, die Preise sind durchwegs moderat. Das hervorragende Preis-Wert-Verhältnis ist möglich, weil die üblichen – nicht geringen – Nachlässe für Händler nicht vorhanden sind.
Die Corona-Krise hat den Betrieb keineswegs erschüttert. Im März und April lagen die Umsätze sogar über jenen des Vorjahres.
Wie gewohnt, hat Martin Minkowitsch – vor allem in Wien – seine Hauszustellungen getätigt: „Die Zustellung funktionierte besser als je zuvor, weil alle zu Hause waren und die Übernahme wie am Schnürchen klappte“. Kontaktlose Übergabe erfolgte, indem der Winzer den Wein einfach vor der Tür abstellte oder in den Aufzug verfrachtete und diesen nach oben schickte. Zum Teil erfolgte auch Versand über den seit langem gut gepflegten Online-Shop.
Das Vermarktungsmodell, auf das Martin Minkowitsch schwört, war früher weithin üblich gewesen. Viele Weinbauern brachten ihre Weine nach Wien. In nicht wenigen Fällen hatte man auch eine enge und persönliche Bindung zu etlichen Wirte, die einen wesentlichen Teil der Tröpfchen absetzten. Vieles hat sich in den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten gewandelt. Einerseits gibt es viele Wirte in der alten Form nicht mehr, andererseits haben Gastro- nomen heute eine umfängliche Weinkarte, die meist von Händlern bedient wird – eine Fokussierung auf bestimmte Winzer gibt es längst nicht mehr.
Mittlerweile sind viele Weinerzeuger darauf angewiesen, sich vielfältige Schienen des Absatzes zu erschließen. Zu einem erheblichen Teil ist auch der Weinhandel globalisiert, längst werden österreichische Weine in alle Welt ver- frachtet.
Gleich zu Beginn der Corona-Krise waren österreichische Winzer insofern betroffen, als sie sich auf wichtigen Messen nicht mehr präsentieren konnten. Die für heimische Erzeuger bedeutende ProWein in Düsseldorf, die für Mitte März anberaumt war, fiel aus. Mit der Folge, dass Storno von Flug und Hotel nicht geringe Kosten verursachten. Ausgefallen ist auch die Vinobile in Vorarlberg, und auch die für Geschäftsanbahnungen und Kundenpflege enorm wichtige „VieVinum“ in der Wiener Hofburg musste um ein Jahr verschoben werden.
Die Corona-Krise trifft die Branche in einer Phase, in der ohnedies das Problem besteht, dass viele Lager randvoll gefüllt sind. Der Absatz floriert nicht mehr in dem Maße wie in den 1990er und frühen 2000er-Jahren, als in der Branche noch Goldgräberstimmung herrschte. Zu viele Bewerber und Weine sind global auf dem Markt vertreten. Während findige heimische Erzeuger durch geschicktes Marketing gute Absätze im Export lukrieren konnten, gibt es bei anderen Überschüsse, deren Abtragung eine Herausforderung ist.
Das komplette Aussetzen von Tourismus und Gastronomie in den vergangenen Wochen und die Erwartung, dass diese Branchen auch in nächster Zeit nicht wie gewohnt florieren werden, hat bei vielen Weinmachern zu entsprechender Verunsicherung geführt. Die verstärkten Absätze über Online- Shops sind zwar ein Trostpflaster, können jedoch in so gut wie allen Fällen die üblichen Geschäfte bei weitem nicht kompensieren. Hinzu kommt, dass die Winzer unter Druck gekommen sind, die Preise zu reduzieren, weil seit Ausbruch der Krise allerorten, vor allem in Supermärkten, extreme Nachlässe auf Wein gewährt werden.
Die einzige Absatzschiene, die nach wie vor floriert, ist der Supermarkt, wo allerdings, wie erwähnt, ungewöhnliche Aktionen wie „2 + 1 gratis“ gewährt werden, was natürlich entsprechende Rückwirkungen auf die Winzer hat. Bei wei- tem nicht alle Weinmacher sind in Supermärkten vertreten. „Wein und Co“ hat kürzlich wieder geöffnet, man wird se- hen, wie sich dort die Umsätze entwickeln. Freilich ist das Einkaufen und Gustieren, mit Maske vor dem Gesicht, derzeit nicht in der entspannten Weise möglich, wie das in normalen Zeiten der Fall gewesen ist.
